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21. August – 2. Oktober 2010

Hadrien Dussoix & Gilles Rotzetter | »Sculptures and Paintings«

Mit Liebe zum Absurden

Beide kommen sie aus der Westschweiz. Statt Reduktion und Konzept lieben sie üppigen Humor und Weltbezug: Das Schaffen von Hadrien Dussoix und Gilles Rotzetter ist in der Galerie bei Paul Hafner zu entdecken.

Es sind Bilder wie Geschichten in Gedichtform. Auf zwei Wänden reihen sich die Arbeiten von Gilles Rotzetter auf. Die Geschichten erzählen von Wut, Ungerechtigkeit, Macht und Machtmissbrauch, Umweltzerstörung, aber auch Bandenbilden und Widerstand. Nicht laut und eindeutig, sondern in eher kleinformatigen, fast skizzenartigen Malereien in aufreizend bunten Farben.
Einer sitzt auf dem Thron, rundum scharen sich Gänse; »Throne hassle«, heisst das Bild. In »Fake kingdom« gibt sich ein Mensch als Platzhirsch aus. Ein andermal scheint die Welt unterzugehen, zu verbrennen oder zu ertrinken, einer macht sich im Urwald mit einer Kettensäge zu schaffen. Ein Fass auf einem Leiterwagen lässt an Flucht mit Habseligkeiten denken.

Drängend in Inhalt und Farbe
Dringlichkeit und Engagement sind mitgemalt. Es ist aber auch pures Interesse am Medium der Malerei, am Auftrag von Farbe und wie sich Linien und Pigmente zu Geschichten verbinden. Gilles Rotzetter, 1978 in Vevey geboren, studierte wie Hadrien Dussoix, aber auch die St.Gallerin Alexandra Maurer, an der Ecole supérieure des Beaux-Arts in Genf bei Peter Roesch. Heute lebt er in Fribourg. Demnächst wird er ein paar Monate in Rom verbringen. Neue Beobachtungen werden in die Bilder fliessen.
Aus Rom ist Hadrien Dussoix soeben zurückgekehrt. Viele von den Werken, die er in St.Gallen zeigt, sind in Rom entstanden. Auch Dussoix, der 1975 geborene Genfer, bezeichnet sich als Maler, auch wenn verschiedene Skulpturen auf Sockeln im Raum verteilt sind. »Die Malerei ist immer ein Teil meiner Arbeit, aber die Resultate sind meist ein Mix von Medien.«

Mixturen aus Dosen
Genau der Mix, die unreine Anwendung der Medien, scheint ihn besonders zu reizen. Bekannt sind seine in Spraylinien übersetzten Bilder von Palazzi und ihren perspektivischen Renaissanceformen. Schnelles Arbeiten trifft auf exaktes Planzeichnen. »Konfrontationen gefallen mir«, sagt der Künstler. In Rom sind viele Collagen entstanden. Hochglanzprospekte von Hotels oder Modemagazine mit der Dolce&Gabbana-Kollektion treffen auf Embleme aus der Death-Metal-Kultur. Einem Pferd wird der Schwanz mit einem Bein ausgewechselt. Ein anderes Mal füllt eine Spiegelfläche das Rauminnere. »You may find yourself in a beautiful house« ist der Titel mehrerer Collagen und Decollagen. Der Traum von der Grandezza ist mit Subkultur gemischt und entblösst in diesem Cocktail das soziale Gefälle unterschiedlicher Lebensentwürfe. Es geht um Demontagen von Statussymbolen.

Spiel mit Gegensätzen
Gesellschaftspolitische Töne gehören auch zur altarartigen Werkgruppe »Burn more fuel«. Die afrikanische Maske, die der Künstler übermalt und mit Öllogos versehen hat, weint Blut. Zigarettenpackungen sind aufgefaltet und samt Warnung zu Totems mit offenem Rachen umgestaltet. In dichten Verschnitten öffnet sich ein Universum, das vor den Problemen der Welt genauso wenig die Augen verschliesst wie vor den persönlichen Schwächen. Das alles geschieht nicht anklagend oder moralisierend, sondern getrieben von Freude am Arbeiten mit Fundstücken, Zufällen und krude Zusammengesetztem.
In dadaistischer Manier erklärt er Verpackungsmaterial, verbunden mit Dichtungsschaum und Bauabfällen, zu Skulpturen mit dem so abgelutschten wie bedeutungsschweren Titel »Jenseits von Gut und Böse«. Oder sind es dreidimensionale Malereien? Sie wachsen zu Figurinen zusammen, die sich in der Ausstellung umschauen. Und sich handkehrum wieder in gegenstandslose Gebilde verwandeln. »Ich liebe das Absurde«, sagt Hadrien Dussoix. Künstler wie Urs Fischer oder Jonathan Meese finde er inspirierend, bekennt er. Diese Szene sei ihm näher als die konzeptorientierte Kunst der Reduktion in der Westschweiz.
Auch die Nähe zur Ausstellung in der Kunsthalle einen Stock tiefer mit Beni Bischof ist deutlich spürbar. Alle drei sind sie etwa gleich alt und miteinander befreundet. Dem Absurden der Welt begegnen sie mit noch Absurderem in der Kunst. Und wie in der Mathematik gibt es damit positive Resultate. Und viel Vergnügen.

Ursula Badrutt Schoch
St.Galler Tagblatt | 27. August 2010