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12. Februar – 26. März 2011

Vera Marke | »Quodlibet«

Leise Töne der Erinnerung

Vera Marke zeigt unter dem Titel »Quodlibet« in der Galerie Paul Hafner neue Arbeiten. Trotz verschiedener Sujets und Techniken funktionieren die Bilder untereinander wie ein Netzwerk.
Richtig ins Schwärmen gerät die Herisauer Künstlerin Vera Marke, wenn sie vom Bild »Quodlibet mit Bildnissen von Zeitgenossen und antiken Köpfen« erzählt. Gemalt hat es Johann Caspar Füssli d. Ä., und das Bild ist der ganze Stolz der Trogner Kantonsbibliothek. Es sei eine Art Facebook des 18. Jahrhunderts, was da an Vernetzung gemalt sei, sagt Marke und erklärt das Quodlibet als Spezialgenre des Stilllebens. Mit »Quodlibet« ist auch ihre Ausstellung betitelt.
Quodlibet heisst: Was beliebt, oder negativ gesprochen: Durcheinander. Vera Marke hat nebeneinandergehängt, was ihr beliebt. Die Bilder an den Galeriewänden wirken aber nur auf den ersten Blick beliebig vereint. Es sind stille Arbeiten, fast eine Art Galerie von Verschleiertem, von gehaucht Angedeutetem. Bei näherem Sicheinlassen wirken die Arbeiten selbst wie ein geheimnisvoll stimmiges Bilder-Netzwerk.

Deutlichkeit zurückgewinnen
Irgendwie mag man bei dieser Ausstellung der leisen Töne gar nicht auf einzelne Sujets eingehen. Vielleicht ist es bei Vera Marke auch gar nicht so wichtig, was wirklich »drauf« ist auf den Bildern. Man ahnt aber umso stärker, welch genaue Spuren der Erinnerung auf Markes Arbeiten festgehalten sind. Oder genauer: Vera Marke malt das, was die Erinnerung aus dem erinnerten Gegenstand im Moment der künstlerischen Umsetzung macht.
Diese Erinnerungsblitze als Antrieb künstlerischer Umsetzung machen, dass scheinbar Unvereinbares, thematisch Fernes plötzlich zusammenpasst, auch wenn der Betrachter die Quelle der Erinnerung selbst nicht kennt. »Malen heisst Verifizieren von Gesehenem, heisst auch im Moment des Malens etwas über das Gesehene neu herausfinden«, beschreibt Marke ihre Arbeitsweise. Sie wolle im Materialisieren Deutlichkeit bekommen, doppelt die Künstlerin nach.
Viele Arbeiten vernetzen sich, indem sie in einen sinnhaften Dialog zu treten scheinen. Da passt dann ein architektonisches Dreieck von Palladio zum angedeuteten Dreieck eines Bikinioberteils. Viele Arbeiten scheinen bewusst aus einem allzu festlegbaren Kontext herausgenommen, zeichnen den Weg von Deutlichkeit zur Andeutung nach. Der Marmor Venedigs, wo sich Marke einen Monat aufgehalten hat, erscheint da in ganz anderen Kontexten. Oder ein Torbogen tritt in Beziehung zu einem Achselbogen samt fliessendem Stoff. In einer verknoteten Wäscheleine ahnt man die Skulptur ebenso wie in einem blossen Faltenwurf.

Durch die Bilder schweben
Im Gegensatz dazu wird eine Art Madonna nur angedeutet, indem das Gesicht ausgespart bleibt. Oder Haare von hinten gesehen ergeben auf einem weiteren Bild eine den imaginären Kopf andeutende Struktur. Geheimnisvoll passt da dann daneben das architektonische Skelett einer Basilika beziehungsreich gut dazu!
Irgendwie wird es ganz unwichtig, bei Vera Marke alles über die Herkunft der Bilder zu wissen (auch wenn es faszinierend ist zu erfahren, wie sie ein Dachsfell mit Farbe benetzt und das Fell dann auf Leder druckt!). Es ist dieser leise Assoziationsreichtum, auch das Changieren zwischen Unschärfe und Klarheit, das einen fast ein wenig durch diese Ausstellung schweben lässt, um der Feinsinnigkeit dessen nachzuspüren, was subtile Erinnerung mit dem Malen einer Künstlerin macht.

Martin Preisser
St.Galler Tagblatt | 18. Februar 2011