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25. Mai – 6. Juli 2013

»Accrochage« | Gruppenausstellung

Ueli Alder | Beni Bischof | Julia Bornefeld | Hadrien Dussoix | Adalbert Fässler | Michael Kienzer | Marianne Rinderknecht | Gilles Rotzetter | Pascal Seiler


Anregende Zusammenstösse

Die Galerie Paul Hafner zeigt in der Gruppenausstellung »Accrochage« Werke von elf Künstlern. Mit der Kombination unterschiedlicher Arbeiten will der Galerist den Spielraum an Interpretationen ausweiten.

Das Rot-Orange und das Gelb leuchten grell oder fast schon schreierisch, und in den Farbenaufruhr stimmen flächendeckende Wörter aus klaren Buchstaben ein. »Well Paid Jobs« verkünden sie auf dem einen Bild, »Spit Your Gold« auf dem andern. Es sind kleine Formate, 30 × 24 Zentimeter, die die Aufgeregtheit einer materialistischen Welt thematisieren, gemalt hat sie der Genfer Künstler Hadrien Dussoix. Dazwischen hängt, minim grösser und mit ähnlichen Proportionen, ein drittes Werk. Michael Kienzer hat mehrere Glasscheiben übereinandergelegt, auf jede Schicht sind Bänder mit der Aufschrift »Fragile« geklebt, ähnlich den Absperrbändern, hinter denen die Polizei bei Unfällen oder Verbrechen ihre Arbeit verrichtet. »Fragile«, so heisst auch das Bild, und es ist ein eigentlicher Kommentar zu den andern zwei.

16 Arbeiten aus der Sammlung
Kienzers »Fragile« ist 1998 entstanden, die beiden Arbeiten von Dussoix 2009 bzw. 2012. Sie haben nichts miteinander zu tun – ausser nun eben das: Der Galerist Paul Hafner hat sie für die aktuelle Ausstellung »Accrochage« nebeneinandergehängt. Das gleichsam improvisierte Kombinieren von Bildern und Objekten ist die Grundidee hinter der Gruppenausstellung mit elf Künstlern. Mit seiner spontanen und assoziativen Hängung will Hafner neue Interpretationsmöglichkeiten eröffnen. Ausser mit Bildern spielt er dabei auch mit Worten. »Accrochage« bedeutet ganz grundsätzlich das Aufhängen von Werken in einer Ausstellung, der Begriff spielt aber auch im Strassenverkehr eine Rolle und steht dort für einen Zusammenstoss, einen kleinen Zusammenprall. Solche Zusammenstösse, sagt Hafner, habe er durch die Hängung bewirken wollen.

Durchblicke und Einblicke
Und so geht es weiter mit Gilles Rotzetter und Ulrike Hogrebe. Ein üppiges, farbintensives Grossformat das erste (mit dem Titel »Fame & Fortune never last«), eine kleine, filigrane Zeichnung ohne Titel das andere. Ein Pferd mit Reiter und eine Schar Hunde versinnbildlichen, dass Ruhm und Reichtum nicht für die Ewigkeit sind. Und ein Pinguin steht etwas verloren und ratlos vor einem Loch, einem Kreis auf dem Boden, was auch immer. Hier Statik, dort Bewegung, hier Reduktion, dort Exzess. Die beiden Werke illustrieren, was Gegensätze leisten können. Sie kommen in ihrem Anderssein noch besser zur Geltung, weil jeder formale und farbliche Wettstreit von vornherein ausgeschlossen ist.
Das rätselhafte Rund neben dem Pinguin setzt sich quer durch den Raum fort, indem es sich transformiert. In der Mitte wuchert in verschlungenen Windungen Michael Kienzers Objekt aus Aluminiumdraht, an der gegenüberliegenden Wand spielt Dussoix' Leinwand mit Kreisformen, die je nach Hintergrund Löcher oder Ringe sind. Die Varianten von Rundungen, sie stehen für Öffnung, aber auch für Durchblick und Einblick.

Gross und klein
Gross und klein sind wieder die augenfälligen Gegensätze bei Adalbert Fässlers Grossformat und Beni Bischofs Acryl- und Gouachearbeit »Unheimliche Erscheinung« – deren Titel auch für Fässlers unbenannte Arbeit gelten könnte. Da sind beide Male rätselhafte Objekte, die den zentralen Raum der Bilder einnehmen, in ruhiger Umgebung, mal ist sie weiss, mal in Grün-, Grau- und Gelbtönen.
An der Wand beim Eingang hat Hafner zwei zweiteilige Arbeiten von Marianne Rinderknecht platziert, dazwischen ein Objekt von Carlo Schmidt aus Klebeband auf Holz. Beide umspielen mit unterschiedlichen Mitteln das Thema Ornamentalistik. Schmidts Arbeit zeigt eine crèmefarbene räumliche Vertikalstruktur, Rinderknecht hat spitzige und gerundete Formen in Rot, Lila und Violett aufs Holz gemalt. Das wirkt ein bisschen, als hinge in der Mitte ein neutrales Stück Duschvorhang, zu dem Rinderknecht Designvorschläge beigesteuert hat.

Ein »Salon bleu«
Dem kleinen Raum im Raum, den Hafner »Inside Space« nennt, könnte man auch das Motto »Salon bleu« verpassen. Er vereint Fotografie, Skulptur und Malerei und ist geprägt durch das Miteinander von vier Arbeiten von Ueli Alder, Pascal Seiler, Julia Bornefeld und Adalbert Fässler. Auf Alders Fotoarbeit blickt ein Cowboy von einer Anhöhe in eine Winterlandschaft. Die himmelwärts reichende Weite und das Winterlich-Kalte-Blaue ziehen sich auch durch die übrigen Werke der Gruppe. Da ist Seilers pastellblau und silbrig bemalter »Skystone«, der aber aus Polyester ist und himmelleicht an der Wand schwebt. Bornefelds Arbeit zeigt einen bildfüllenden Ballon, dessen Schnüre jedoch einen Drang nach unten ausdrücken, das gleichformatige Bild Fässlers daneben variiert die Blautöne von Alders Foto – und erinnert in Farbauftrag und Farblandschaft wieder an Bischofs »Unheimliche Erscheinung« draussen. »Accrochage« wird so zu einer munteren Rundfahrt durch die Welt der Formen, Farben und Materialien. Es ist eine Serie von Zusammenstössen, die nicht in Zerstörung und Stillstand münden, sondern in Anregung.

Beda Hanimann
St.Galler Tagblatt | 12. Juni 2013