Loading

28. November 2015 – 23. Januar 2016

Vera Marke | »Sichtschutz«

Die Künstlerin Vera Marke definiert Malerei als ein zum Bild gewordenes Gedankengebäude.
Dies zeigt sich in der aktuellen Ausstellung mit dem programmatischen Titel »Sichtschutz«. Sichtschutz meint das Verhüllen, Verdecken und Übermalen eines Motivs; Sichtschutz meint auch Schutz für unseren Blick vor dem Motiv – Das Sehen wird gelenkt.
Kompassähnlich stellen die Bilder von Vera Marke die Augen des Betrachters immer wieder neu ein und steuern deren Blick.


»Die Malerei schützt unsere Augen«

»Sichtschutz« heisst die neue Ausstellung der Herisauer Künstlerin Vera Marke. In der Galerie Paul Hafner zeigt sie Bilder, die mit dem Verschleiern und der Mehrdeutigkeit zu tun haben. In so offener wie geheimnisvoller Machart lassen sie neue Sichtweisen zu.

»Sichtschutz« ist ein merkwürdiger Titel für eine Ausstellung, für die neuen Arbeiten von Vera Marke aber passend. Sie lässt ihre Malwelten nicht ungefiltert auf den Betrachter los. »Malerei schützt unsere Augen, schützt uns vor dem Motiv«, sagt sie. Es ist etwas dazwischen zwischen dem, was das Bild bedeuten könnte, und dem, was der Galeriebesucher über das Bild denken mag. Vera Marke hat ihre Kunst, anzudeuten und nur ganz vorsichtig zu entschleiern, erneut weiter vorangetrieben. Schatten, unklare Umrisse bewegen sich auf den hellen Bildern. Und wie überhaupt Licht und etwas Orientierung ins Schwarz kommen, zeigt eine Serie von nächtlichen Stadtlandschaften.

Fährten legen
Auf einem dunklen grossformatigen Bild sieht man ein Stück Wald, Äste, vorne ein heller beleuchteter Teil, wie ein Ausschnitt, der von einer Fotofalle in den Blick genommen wird. Hat sich da schon etwas ereignet oder ereignet sich hier erst noch etwas? Hier kommt Vera Markes Kunst ins Spiel, eine Szenerie zu erzeugen, die Fährten legt und doch keine Antwort darauf gibt, wohin diese Fährten und Malspuren führen könnten. Erreicht wird das durch virtuoses Andeuten von Vorder- und Hintergründen, durch eine exakt austarierte Licht- und Schattentechnik.
Auf einem hellen Bild schält sich aus dem Nebel ein Sessellift samt Mast. Menschenleer. Da ist Natur, und da ist Künstlichkeit. Da könnte etwas passieren, da ist vielleicht schon etwas passiert. Vielen der Arbeiten der «Sichtschutz»-Ausstellung haftet immer auch etwas leicht Unheimliches an. Das Bild, das die Einladungskarte ziert, fasst Vera Markes Ansatz auf kleinem Raum zusammen: Nah und fern, direkt und indirekt, vorne und hinten, klarere gegen verschleierte Bildpartien. Zwischen dem angeleuchteten nächtlichen Gras und den Sternen als Lichtpunkte aus dem Dunkel schwebt da wiederum das geheimnisvolle Unsichtbare. Es sind wieder die bewusst unklaren Leerstellen, die ausgesparten Zwischenräume, die den Betrachter vor den vordergründigen Motiven zu schützen scheinen, ihm eben »Sichtschutz« gewähren.

Schleier und Falten
Im Nebenraum der Galerie nimmt Vera Marke ein Thema auf, mit dem sie bereits letztes Jahr zu sehen war: Die Darstellung gefalteter Stoffe, als »Ausstülpungen von Realität«, wie sie selbst sagt. Die Schleier und Faltenwürfe changieren zwischen den Ebenen Malerei und gemalter Skulptur, sie verhüllen und zeigen gleichzeitig kunstvolle Oberfläche. So, als wollten auch sie den noch ungesehenen Momenten eine Bildfläche bieten.

Martin Preisser
St.Galler Tagblatt | 4. Dezember 2015