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5. März – 23. April 2016

Lukas Schneeberger | »bis nichts mehr geht«

Lukas Schneeberger's (*1983) Malereien handeln vom Versuch, dem sich stetig wiederholenden Alltag entgegenzutreten. Sein Arbeitsprozess unterliegt keinen starren Regeln – er folgt der Intuition. Wilde, kraftvolle Träume von einer Welt ohne Hierarchien und voller Dynamik.
Seine Werke spiegeln die Auseinandersetzung zwischen Gegenstand und Abstraktion, Struktur und Fläche, Licht und Schatten sowie von Linie, Räumlichkeit und Plastizität. Jedes Werk ist ein unvorhersehbares Wagnis. Seine Malerei ist nichts weiter als eine Form von gesteigertem Leben. Nichts weiter, aber auch nichts weniger ... »bis nichts mehr geht«.


St.Galler Tagblatt | 17. März 2016

Grünes Toben, gelbes Brausen

»Bis nichts mehr geht« in der Galerie Paul Hafner ist die erste Einzelausstellung des St.Galler Künstlers Lukas Schneeberger. In ihr zeigt er grossformatige, abstrakte Malereien voller Farbgewalt und Intensität.
Es »blaut« und »gelbt« und »pengt«. Dem vor 100 Jahren in Zürich begründeten Dadaismus sei Dank, dass heute solche Wortschöpfungen salonfähig sind, wenn es um das Beschreiben von starken Eindrücken geht. Emotionalen wie visuellen. Anders nämlich fiele es fast schwer, die momentan in der Galerie Paul Hafner präsentierten Werke in angemessene Worte zu fassen. Lukas Schneeberger gibt mit der Ausstellung »Bis nichts mehr geht« sein Début und schleudert dem Betrachter einen Farbenwirbel entgegen, der überwältigt.

Der erste Gedanke
»Hier geht wirklich nichts mehr«, jagt es einem zunächst durch den Kopf, sobald man die Galerie in der Davidstrasse betritt. Denn wer erwartet hat, viel weisse Wand und dezent präsentiert einige verstreute Gemälde zu finden, wird prompt eines Besseren belehrt. Grossformatige Leinwände belagern jede Fläche. Es wogen Farbmeere, aschgraue, beerenrote oder solche, die grün sind wie Spinat. Und überall sind Spuren des Arbeitsprozesses zu sehen, Kraftakte. Borsten von Pinseln. Und Schlieren, als wäre man der Farbe mit einem Lappen zu Leibe gerückt. Das Auge kommt nicht zu Ruhe. Wohin man blickt: Es tobt und peitscht. Im ersten Moment ist man irritiert von so viel Bilderdichte. Doch der 33jährige Künstler hat sich bewusst für diese unübliche Art der Hängung entschieden. »Ich gehöre zu einer visuellen Generation. Es war mir wichtig, dass die Besucher was zu sehen kriegen. So viel, bis nichts mehr geht.«

Mehr Platz – grössere Formate
Es ist Zeit für diese Ausstellung. Denn tatsächlich macht der in Zürich geborene und im thurgauischen Frasnacht aufgewachsene Lukas Schneeberger bereits seit rund zehn Jahren Kunst. Anfangs stand alles im Zeichen des plastischen Arbeitens. Erst später rückten Zeichnungen und Malereien, zunächst noch kleinformatig, ins Zentrum seines Schaffens.
»Dass ich heute Bildformate mit 1,60 m mal 1,30 m bearbeite und auch grösser, liegt vor allem daran, dass ich jetzt nicht mehr zu Hause in der Stube arbeiten muss. Mittlerweile kann ich das im Atelier machen. Und mit dem Mehr an Platz haben auch die Formate an Grösse zugelegt«, sagt er. Aber nicht nur die Formate, auch der Stil hat sich gewandelt. Schneebergers noch vor wenigen Jahren gegenständliche Ausdrucksweise ist einer abstrakten Formensprache gewichen. »Ich finde abstraktes Arbeiten momentan spannender. Da ist immer was Unberechenbares mit drin. Das gefällt mir.«

Unberechenbares Schaffen
Unberechenbar, oder besser: unvorhersehbar, ist in Lukas Schneebergers Bildern so ziemlich alles. Das beginnt beim Material, welches von der Acrylfarbe über Pulverbeize geht und beim Öl noch lange nicht an seine Grenzen kommt. Und es endet bei Farben und Formen, die monochrom und hell, vielfarbig oder düster sind, mal wilde Tupfer oder langgezogene Bögen tragen.

Werke ohne Inhaltsvorgaben
Lukas Schneeberger bekennt sich dazu, dass es Kräfte fordert, den Bildträger so zu bearbeiten. Aber er sagt auch, dass er genau das als Kern seiner Malerei erlebt. So gedacht macht schliesslich die dichte Hängung der Arbeiten Sinn: Der Bildbeschauer taucht ebenso in die Arbeiten ein, wie der Künstler selbst dies tut. Konsequent verzichtet er daher auf Titel: »Mit jedem Bildnamen gebe ich dem Betrachter sonst vor, was er auf einem Bild sehen muss. Das will ich nicht. Er darf den Prozess dahinter auf sich wirken lassen, ohne Inhaltsvorgaben zum Festhalten.«
Festhalten kann man sich dafür umso mehr an der Power und Ausdrucksstärke dieser Malereien. Lukas Schneeberger entfaltet solche Farb- und Formgewalt, dass nichts anderes zu sagen bleibt als dies: Es »blaut« und »pengt« und »gelbt«, dass es die reinste Freude ist.

Dorothee Haarer