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25. April – 23. Mai 2009

»short cuts« (2) | Nicole Böniger

Absichten und Zufälle

Nicole Böniger zeigt in der Galerie Paul Hafner aktuelle Werke. Ob leuchtend farbige Gemälde oder schwarz-weisse Serien: Die Malerei der in St. Gallen geborenen Künstlerin ist vielfältig auf hohem Niveau.
Delikate Oberflächen, ungewöhnliche Farben, präzise Setzungen – Nicole Bönigers Malerei ist vielfältig auf hohem Niveau. Eines der besonderen Merkmale ihrer Bilder ist das Zusammenspiel von Zufall und Berechnung oder wie es die in St. Gallen geborene Zürcher Künstlerin formuliert: »Ist etwas, das man immer wieder macht, noch Zufall?« Ein konkretes Beispiel für diese Überlegung sind die Oberflächenverletzungen, entstanden durch aufgeklebte und wieder abgezogene Klebebänder. Diese sind nicht nur Hilfen für eine exakte Kontur, sondern indem beim Abziehen stückchenweise Farbe mit abgetragen wird, bringen sie ein eigenes nicht in allen Einzelheiten kalkulierbares Gestaltungselement mit ins Bild. Oder die gesprayten und getropften Bildelemente: Die nicht genau begrenzten, zufallsbedingten Flächen stehen in deutlichem Kontrast zu akkuraten Streifen oder einem markanten, schwarzen Punkt. Zusätzlich bringen sie einen Zeitaspekt ins Bild, wirken sie doch gerade aufgrund des Gegensatzes zu den statischen Streifen wie im Fluge eingefroren.

Zahlreiche Farbebenen
Noch deutlicher wird das Temporale in den Serien und den Schichtungen. Letztere verbergen sich mehr oder weniger offensichtlich in jedem Bild. Böniger setzt zahlreiche Farbebenen übereinander. Dadurch, dass sie mit vollständig deckenden Lacken arbeitet, bricht nicht die Farbigkeit früherer Schichten durch, sondern das Farbmaterial selbst bleibt anhand feiner, erhabener Linien sichtbar. Hier zeigt sie sich wieder, die in der englischen Sprache so gut zu unterscheidende Dualität von Colour und Paint, von Farbton und Materie. Wieder und wieder werden die Bilder übermalt, werden neue Schichten aufgetragen, die teils über, teils neben den älteren stehen. Auf diese Weise ergibt sich eine hohe Dichte und Tiefe, selbst dann, wenn das eigentliche Bildzentrum eine gleichmässig farbige Fläche ohne weitere Kompositionselemente bleibt. Oft sorgt Böniger mit einer farblichen Rahmung des monochromen Feldes für einen Fenstereffekt und öffnet so einen Raum.
Zwar fallen naturgemäss Bönigers leuchtend farbige Gemälde oder jene mit silbrig glänzenden Elementen schneller ins Auge, doch auch die schwarz-weissen Serien verdienen Beachtung. Ihr Aufbau ist denkbar einfach: Innerhalb eines homogenen Feldes ist eine immer gleiche Anzahl kleiner Quadrate unterschiedlich angeordnet.

Spiel mit den Quadraten
Böniger vermeidet in diesem Zusammenhang bewusst den Begriff »Komposition«, denn auch hier ist der Zufall tonangebend, oder vielmehr die Intuition. Die Künstlerin spielt mit den Quadraten, als seien es die Balken und der Ball aus Pong, dem Videospielklassiker, der ebenfalls mit einer sehr überschaubaren Anzahl von weissen Elementen vor schwarzen Grund auskam. Auch in den in der Galerie Paul Hafner ausgestellten Serien kommt dem zeitlichen Aspekt eine Rolle zu, scheinen die Punkte-Positionen doch einem Ablauf zu folgen. Nicole Bönigers Gemälde scheinen das Vokabular der Malerei durchzuexerzieren: Rahmen, Struktur, Ornament, Zufall, Oberfläche, Reflexionen, Raum, Schichtungen und mehr. Doch nie geht ihnen dabei die sinnliche Qualität verloren. Jedes Bild verführt auf seine Weise den Betrachter. Es lohnt sich, immer wieder und nochmals genauer hinzuschauen.

Kristin Schmidt
St.Galler Tagblatt | 5. Mai 2009