29. April – 8. Juli 2017
St.Galler Tagblatt | 1. Juni 2017
Der Künstler Rik Beemsterboer hat sich vom Hollywoodkino inspirieren lassen. Seine grossformatigen Gemälde in der Galerie Paul Hafner sind Stillleben von Bewegung.
Ein einzelnes Kinobild ist immer ein Minifragment. Ein isolierter, eingefrorener Moment aus einer Bewegung, eine von 24 Aufnahmen (bei einem Filmstreifen) von einer Sekunde Film. Dennoch haben solche Bilder ein Eigenleben entwickelt oder im kollektiven Gedächtnis eingegraben. Marilyn Monroe beispielsweise, deren Rock von der Abluft des U-Bahn-Schachtes aufgewirbelt wird.
In der Ausstellung »Filmstills« in der Galerie Hafner sind sieben grossformatige Gemälde zu sehen, die nicht zu diesen ikonografischen Bildern zählen, aber einen filmischen Ausdruck atmen. Rik Beemsterboer, Künstler und Filmfreund, hat für die Werkserie nach Kinoszenen gesucht, die ihn so sehr beeindruckten, dass er sie malen wollte. Der Filmfan sichtete zahlreiche Filme, die ihn interessierten, der Künstler war es aber, der entschied, was auf die Leinwand transformiert werden soll.
Der richtige Moment findet sich nicht einfach so
Was jeweils den Kick gab, damit aus einem Standbild ein Ölgemälde wurde, ist für den schweizerisch-holländischen Doppelbürger nicht einfach zu beschreiben: »Es war für mich selber spannend, den richtigen Moment in einem Film zu finden«, sagt Beemsterboer. Manchmal war es die technische Herausforderung, dann die Komposition des Bildes oder seine Farbkomposition. Wie beispielsweise beim Werk «Reflexions». Eine blonde Frau in einem roten Kleid steht vor einem Fenster, in dessen leicht dreckigen Scheiben sie und ein weiteres Gesicht reflektiert werden. Die Szene stammt aus einem Film von Quentin Tarantino. Zwei weitere Filme des US-Regisseurs inspirierten Beemsterboer zu drei weiteren Bildern. Er mag diesen Regisseur, insbesondere die Art und Weise, wie er Gewalt, Poesie, Schönheit und Witz verbindet. Zu »Reflexions« motivierte ihn der Moment der Ruhe, der darin zum Ausdruck kommt. Eine ähnliche nachdenkliche Ruhe strahlt an der gegenüberliegenden Wand die schwarzhaarige Frau aus, die sich rauchend auf einem Sofa niedergelassen hat.
»Meine Bilder sind nie ein Abbild des Films«, sagt er, »es sind Interpretationen aus meiner Hand, mit meinen Emotionen.« Zudem verändert er fast immer den Bildschnitt des Originalformats – er zoomt gewissermassen näher. Enorm verdichtet und konzentriert sind die Bilder dadurch. Insbesondere die zwei Westernszenen, die als Paar fungieren. Auf dem einen visiert ein Mann mit seinem Revolver sein Ziel an, während das zielende Auge auf die Seite abschweift. Das zweite Bild wirkt noch griffiger: eine Nahaufnahme einer Hand im schwarzen Handschuh, die zum Revolver greift. Die Drohung, die davon ausgeht, hat den Künstler ebenso fasziniert wie malerische Herausforderung, die sich ob der Plastizität und Textur des Motivs ergab.
»Küss mich« stammt aus einem miesen Film
Die erwähnten Bilder machen deutlich, worum es Rik Beemsterboer ebenso geht. Die Gemälde sollen auch ohne das Wissen der Filme für sich stehen, ihre Wirkung erzielen. Das erreicht der St. Galler zweifellos, allein schon dank seiner malerischen Raffinesse, dem präzisen Farbauftrag und cleveren Komposition. All dies kann, wie das Werk »Kiss me« beweist, auch gelingen, wenn die abgebildete Szene aus einem Film stammt, der ihm absolut nicht gefallen hat. Um welchen Film es sich handelt, wird nicht verraten, so wenig wie die Filmtitel der anderen Werke erwähnt werden. Denn Paul Hafner lädt das Publikum zum Filmquiz ein. Es ist durchaus eine Herausforderung, die Filmtitel sowie Hauptdarsteller zu nennen, die zu jedem Gemälde gehören.
Andreas Stock